Was tun mit Kaffeesatz?
Anfang Juni war ich auf dem Kaffee-Nachhaltigkeitskongress des Deutschen Kaffeeverbandes in Berlin, bei dem Tchibo und BWT® (Best Water Technology) Hauptsponsoren waren, und der wirklich sehr spannend war.
Das Thema Nachhaltigkeit beinhaltet ja auch, dass man vermeintliche Abfallprodukte einer ökologisch wie ökonomisch sinnvollen Wiederverwendung zuführt. Da gäbe es bei Kaffee so einige By-Products, z.T. schon im Anbauland (etwa Kaffeepulpe). An prominentester Stelle wohl zu nennen wäre aber Kaffeesatz, ein mengenmäßig ebenfalls sehr bedeutendes Nebenprodukt der Kaffeezubereitung. Allein in Deutschland sollen wir verschiedenen Quellen zufolge 20 Millionen Tonnen Kaffeesatz (feucht) jährlich produzieren. Nach einer kritischen Rückfrage habe ich die Zahl noch einmal nachgeprüft: Es sind eher „nur“ etwa 1 Million Tonnen - doch auch das ist ja immer noch eine stattliche Menge. Womit wir bei der Frage in der Überschrift wären: Was tun mit Kaffeesatz?
Auf dem Kongress lieferte ein Aussteller dann auch gleich ein Beispiel, wie sich Kaffeesatz noch weiterverwenden ließe: Fußbodenbelag mit Kaffeesatz-Anteilen.
Übrigens: Auch in der Tchibo Coffee Community (mit Anmeldung) wird derzeit viel darüber diskutiert, was man so alles mit anfallendem Kaffeesatz machen kann. Hier ein paar Fakten dazu aus wissenschaftlicher und persönlicher Sicht:
Unterschiedliche Namen für Kaffeesatz
Kaffeesatz heißt übrigens nicht überall so, im Ruhrgebiet sagt man stattdessen Kaffeeprütt (oder Prött), in Österreich Kaffeesud und in Friesland, je nachdem, Ost: Koffjedick, Nord: Kaffeegrums (kennt jemand weitere im deutschen Sprachraum gebräuchliche Ausdrücke? Gerne posten!).
Wie setzt sich Kaffeesatz zusammen - oder anders gefragt, was wäre noch nutzbar?
Eigentlich klar: Im Kaffeesatz ist all das noch enthalten, was bei der Brühung nicht aus dem Kaffeepulver herausgelöst worden ist. Entscheidende Faktoren dafür sind:
- Kaffeequalität (z. B. Arabica /Robusta) und Mahlgrad
- Wasserqualität und -temperatur sowie Brühdruck (z. B. bei Espresso)
- Mengenverhältnis Kaffeepulver zu Wasser und Kontaktzeit
Struktur und Körnigkeit hängen von der Restfeuchte und von der vorausgegangenen Röstung und Mahlung ab. Was so drin ist:
- Wasser: klar, dass Kaffeesatz zunächst noch sehr feucht (gut 70 %) ist und bei Weiterverwertung ggf. erst getrocknet werden muss, um die Schimmelgefahr zu bannen.
- Im eigentlichen Kaffeesatz zurück bleiben vor allem schwer oder unlösliche Kohlenhydrate (v. a. Cellulose, Arabinogalaktan und Galaktomannan; allesamt für uns unverdaulich, aber kompostierbar und nach Trocknung brennbar). Auch Melanoidine, die dem Kaffee seine kaffeebraune Farbe verleihen und aus Röstreaktionen von Kohlenhydraten mit Aminosäuren und anderen Stoffen hervorgehen, bleiben teilweise im Filterkuchen zurück.
- Dann sind die im Wasser schwer löslichen Fettbestandteile (Lipide) zu nennen: etwa 6%, teilweise sogar 11 bis 14 % (unverdaulich, brennbar, ev. nutzbar als Grundstoff für Kosmetika).
- Restbestandteile: Coffein und Chlorogensäuren (zählen zu den Polyphenolen) sind etwa auf ähnlichem Niveau (deutlich weniger als 0,5 %, das meiste landet im Getränk). Bei den Rest-Mineralien (um 2 %) liegen v. a. Kalium und Magnesium weit vorn. Der pH-Wert liegt im leicht sauren Bereich, zwischen pH 5 und pH 6.
Was fängt man mit Kaffeesatz an?
Kosmetik
In Zeitschriften und Foren wird nach meinem Eindruck sehr auf den kosmetischen Aspekt von Kaffeesatz abgezielt; das ist für mich persönlich eher uninteressant. Zum einen ist Peeling grundsätzlich nicht so meins, und zum anderen färbt Kaffeesatz meiner Erfahrung nach ab (Melanoidine). Mich hat übrigens aus genau diesem Grund Kaffeeseife (mit Kaffee, nicht mit Satz) bisher auch nicht überzeugt, zumal unsere Waschbeckenkeramiken zuhause klassisch weiß sind, und daher nach dem Händeschrubben jedes Mal auch Waschbeckenschrubben angesagt war. Vielleicht gibt es ja auch Produkte, die nicht färben?
Richtig viel Kaffeesatz fällt insbesondere bei der industriellen Herstellung von Instantkaffee an. Da mag es sich lohnen, im großen Umfang die Lipide aus dem Kaffeesatz herauszuholen und diese z. B. als Grundlage für Lotionen und Cremes zu benutzen. Über die Verwendung der Fettbestandteile in der Kosmetikindustrie wird immer wieder geschrieben, aber konkrete Beispiele sind mir kaum bekannt. Fette sind eben auch Geruchsträger und wer möchte schon Sonnenschutzcreme, die nach altem Kaffee riecht? Geruchsneutralisation wäre zunächst einmal angesagt, und das würde die Gewinnung dieses Rohstoffes sehr verteuern. Realistischer scheint mir da die Verwendung von Kaffeeölen als Heiz- oder Treibstoff zu sein.
Ton- und Betonwaren usw.
Dann gibt es noch die Verwendung von Kaffeesatz als Beimischung in Tonwaren oder Kunststoffgefäßen, wie Blumentöpfen und mehrfach verwendbaren Coffee-to-Go-Bechern. Von einem Bremischen Künstler, der Lampen herstellt, wurde einmal berichtet, und von einer Skulptur aus einem Kaffeesatz-Beton-Gemisch in Ludwigsburg, die an einen Hersteller von – nicht zu fassen! - Ersatzkaffee erinnern soll.
Bekleidung und Schuhe
Sogar für Sportkleidung habe ich Lösungen gefunden: Bei Textilien wurde da Kaffeesatz auf den Kunststofffäden aufgebracht. Ob die Körnchen das Schwitzen und das Wäschewaschen überstehen? Sie sollen jedenfalls desodorierend wirken; das gleiche soll übrigens gelten für vegane Sneaker mit Kaffeezusatz im Obermaterial.
Garten
Tatsächlich nutze auch ich Kaffeesatz, wie viele andere auch, als Kompostbereicherung oder direkt im Rosenbeet. Der pH ist für die meisten Pflanzen günstig, der Mineraliengehalt ist hilfreich und Kaffeesatz versorgt die humusbildende Bodenfauna, allen voran Regenwürmer, mit Stoff. Schnecken hingegen mögen Kaffeesatz nicht – ob es der Geruch ist oder der für sie unangenehme Kriechuntergrund, weiß ich nicht genau. Angeblich sollen auch Katzen ihr „Geschäft“ lieber in Beeten ohne Kaffeesatz verrichten, hier würde ich auf den Geruch als Ursache tippen.
Zwei Punkte sind zu beachten:
- Das Coffein im Kaffeeblatt und in der Kaffeebohne ist ja die natürliche Abwehrwaffe der Kaffeepflanze gegen Fresskäfer und Raupen - nur wissen das anscheinend ein paar Käfer in den Kaffeeplantagen nicht, wie z. B. der Coffee Berry Borer (Scherz! Tatsächlich hat dieser Coffein-abbauende Bakterienstämme im Darm). Der deutlich Coffein-ärmere, weil ausgelaugte Kaffeesatz wird nun plötzlich für alle Sorten von Gewürm als Fresssubstrat interessant und lockt auch Insekten zur Eiablage an: Noch ein guter Grund, den Kaffeesatz in der Kaffeemaschine stets zeitnah zu entsorgen, sonst schlüpft und summt es irgendwann darin (igitt!). Da Coffein auch ein Schimmelpilz-Abwehrstoff ist, gilt Ähnliches in Bezug auf diesen: Kaffeesatz schimmelt schnell und sollte aus sanitären Gründen immer zeitnah gründlich entfernt werden. Dass Coffein-armer Kaffeesatz sich als Substrat eignet, lässt sich aber auch nutzen: Ein belgisches Unternehmen vertreibt Aufzucht-Kits für Austernpilze mit Koffiedik.
- Coffein wirkt auch gegen Pflanzen. Darum wirklich nur den ausgelaugten Kaffeesatz im Garten verwenden - und nicht etwa noch übrig gebliebenes, altes Kaffeepulver mit komplettem Gehalt an Coffein. Wer hätte das gedacht - selbst die Wurzeln von Kaffeepflanzen (die selbst frei von Coffein sind) werden durch Coffein im Boden in ihrem Wachstum eingeschränkt. Deshalb achtet man z.B. im Anbauland darauf, herabgefallenes, noch Coffein-haltiges Laub nicht zulange herumliegen zu lassen, da sonst zu viel Coffein in den Boden gelangt.
Biogas
Auf jeden Fall interessant ist auch die Herstellung von Biogas aus Kaffeesatz; einer solchen Verwertung werden übrigens auch die hauchdünnen Silberhäutchen zugeführt, von denen die Rohkaffeebohnen umschlossen sind. Diese sind noch im Kaffeesatz zu finden, zum größeren Teil fallen sie aber bereits beim Rösten von den Bohnen ab bzw. an.
Kaffeesatzlesen
Definitiv am dicksten aufgetragen kommt meiner Meinung nach Kaffeesatz daher bei seiner Verwendung als Zukunftsdeuter: Nach dem Kaffeegenuss die Kaffeetasse auf der Untertasse umdrehen, kurz warten und schauen, welche Bild sich ergeben hat. Ich habe mir neulich Stacey Demarcos „Coffee Oracle“ (Hay House Inc.) auf dem Flohmarkt gekauft und versuche seither, einen „Elefant mit Rüssel nach oben“ zu erzeugen, denn der Elefant war schon als Kind mein Lieblingstier. Außerdem verspricht er laut Autorin Reichtum und Glück und steht nebenbei für Weisheit und Stärke - kann man immer gebrauchen, oder nicht? Tauben verhießen demnach Frieden und Hoffnung, Enten Geld und Neid, der Greif (Mischwesen aus Löwe und Raubvogel) stünde für Gefahr, eine Pistole für Gewalt (wie fantasievoll!), ein Schiff für eine Reise (wenn es eine Yacht ist, steht die aber für finanziellen Erfolg) und Wolken (überhaupt mein häufigstes Bild, danach kommt Ozean, eines von beiden immer dann, wenn ich nichts anderes erkennen kann) für einen Mangel an Klarheit und Missverständnisse (wie passend!) – bloß gut, dass ich eigentlich nicht an so etwas glaube!