Mensch & Verantwortung
Thomas Ahlmann FairWertung

Gastbeitrag: Secondhand-Handel und Altkleidermarkt in Afrika

Thomas Ahlmann, FairWertung

Danke an Thomas Ahlmann von FairWertung für diesen Gastbeitrag:

Ein großer Teil der in Deutschland gesammelten Gebrauchtkleidung geht in den weltweiten Secondhand-Handel. Der Grund ist einfach: es wird viel mehr gesammelt, als soziale Projekte in Deutschland benötigen. Allerdings äußern Verbraucher_innen gegenüber FairWertung immer wieder den Wunsch, dass ihre ausrangierten Textilien nicht nach Afrika gelangen sollen. Die einen vermuten, dass durch den Handel die einheimische Industrie und das Kleingewerbe bedroht werden könne. Andere befürchten, dass die westliche Bekleidung die „traditionellen Gewänder“ verdränge.

Container FairWertung

FairWertung - als Zusammenschluss gemeinnütziger Kleidersammler - hat sich seit seiner Gründung mit dieser Frage auseinandergesetzt und den Überseehandel zunächst ebenfalls kritisch bewertet. Als Folge daraus setzten die FairWertung-Sammler in den 1990er Jahren eine Exportbeschränkung für Secondhand-Kleidung aus ihren Sammlungen bei den Abnehmern durch. Mittlerweile ist die Quote aufgehoben. Wie kam FairWertung zu dieser neuen Einschätzung?

Straßenmarkt in Afrika

Secondhand ist beliebt

Secondhand-Kleidung ist in den meisten afrikanischen Ländern weit verbreitet und aus dem Straßenbild nicht wegzudenken. Für die Konsumenten liegen die Vorteile auf der Hand: Sie ist günstig, das Angebot vielseitig, besteht meist aus Baumwolle und ermöglicht es auch den ärmsten Bevölkerungsschichten, sich mit Kleidung zu versorgen.

Die traditionelle Kleidung hingegen wird vor allem zu Festen und an Feiertagen getragen. Für den Alltag bevorzugen die Menschen eher die preisgünstige Secondhand-Kleidung, auch weil sie als praktischer empfunden wird.

Secondhand-Handel schafft Einkommen

Der (Klein-)Handel bringt die Kleidungsstücke von den Häfen bis in die entlegensten Dörfer. Dadurch können viele tausend Menschen entlang der Kette mitverdienen, z.B. beim Transport oder im Handel selbst. Schließlich werden zum Einstieg kaum Investitionen, keine Maschinen oder spezifische Qualifikationen benötigt. Vor allem Frauen und Jugendliche finden so ihr Einkommen an Marktständen oder in den Straßen. Auch viele Schneider_innen haben sich mittlerweile eine eigene Nische erschlossen: Sie arbeiten Secondhand-Kleidung individuell um oder fertigen daraus neue Kreationen.

Die Situation auf den Märkten der Importländer

Eingekauft werden die Secondhand-Textilien von afrikanischen Importeuren, die den Bedarf auf den lokalen Märkten kennen. Jedes Jahr gelangen so mehr als 400.000 Tonnen Secondhand-Bekleidung aus den Industriestaaten in afrikanische Länder. Neubekleidung ist aber keineswegs auf den afrikanischen Märkten verschwunden. Die Neuware liegt vielfach direkt neben der Secondhand-Kleidung und ist ähnlich billig. Dominiert wird das Angebot – wie auch in Europa – von Bekleidung aus Fernost.

Weder Segen noch Fluch

Die Secondhand-Märkte in afrikanischen Ländern sind demnach weder Segen noch Fluch für die Länder. Sie sind Ausdruck einer Nachfrage aufgrund der geringen Kaufkraft. Darüber hinaus bieten sie Beschäftigung für viele tausend Menschen.

Nichtsdestotrotz gibt es auch afrikanische Politiker, die eine Begrenzung der Einfuhr von Alttextilien fordern, um eigene Produktionsstätten aufzubauen. Dass aber durch solch einen Exportstopp automatisch die einheimische Industrie profitieren würde, die den Bedarf zu bezahlbaren Preisen abdecken kann, bleibt allerdings zweifelhaft; wahrscheinlicher erscheint, dass die Einfuhr von asiatischer Neuware weiter zunimmt.

In der Zwischenzeit müsste die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend Bekleidung zu bezahlbaren Preisen aus anderen Quellen sichergestellt werden. Und den vielen kleinen Händler*innen, Schneider_innen und sonstigen Beschäftigten auf den Märkten und Straßen neue Einkommensquellen geboten werden.

Letztlich sollte die Frage, ob Secondhand-Kleidung aus Europa auf afrikanischen Märkten gehandelt werden sollte, von den Menschen und der Politik vor Ort entschieden werden. Im Rahmen des mehrjährigen Dialogprogramms „Gebrauchtkleidung in Afrika“, das FairWertung initiiert hat und auf dessen Ergebnissen unsere aktuellen Einschätzungen beruhen, war dann auch folgender Satz oftmals zu hören:“Wir wollen selbst entscheiden, was wir tragen“.