Mensch & Verantwortung

WERBUNG! Frauen kochen den besten Kaffee der Welt

Wir sind Melanie und Valentina, Praktikantinnen im Team Corporate Communications. Auf dem Weg zum Mittagessen begegnen wir in der Tchibo Zentrale in Hamburg immer wieder adrett gekleideten Damen, die ihrem Ehemann den besten Kaffee der Welt servieren. Natürlich nicht wirklich, sondern auf Fotos. Die ausgestellten Bilder zeigen Tchibo Werbung aus den 60er-Jahren: Kompetente Hausfrauen mit besonderer Expertise im Kaffeekochen. Der Werbeslogan damals: „Unsere deutschen Frauen kochen den besten Kaffee der Welt.“ Frauen, die ihrem Mann Kaffee servieren, das ist doch veraltet, oder?

In der Tchibo Werbung der 60er-Jahre bringt Mr. Pithey in Anzug und Hut den Kaffee aus Übersee zu den deutschen Hausfrauen.

Zu dieser Frage haben wir uns mit Lena Herrmann, verantwortliche Redakteurin Audio, Podcast & Markenstrategie bei „Werben und Verkaufen“ ausgetauscht. Bei einem Cappuccino hat sie mit uns über den Wandel in der Werbewelt, stereotypische Frauenbilder und den „Mann an der Kaffeemaschine“ gesprochen.

Lena Herrmann, W&V

Tchibo: Lena, gehen wir gemeinsam auf eine Zeitreise in der Welt der Werbung. Hat sich dort das Bild der Frau von der kaffeekochenden Hausfrau hin zur Karrierefrau gewandelt? 

Lena Herrmann: Kaffeekochende Hausmütterchen, die daheim auf ihre Männer warten, sind inzwischen in der Werbung glücklicherweise nicht mehr zu sehen. Erfolgreiche Frauen tauchen hingegen immer häufiger auf - da geht das Marketing mit der Zeit. Trotzdem gibt es noch einiges zu tun. So fällt mir keine Kampagne ein, in der Männer den Haushalt schmeißen, mit dem Kinderwagen durch den Supermarkt hetzen und abends, wenn die Frau von der Arbeit nach Hause kommt, das Essen bereits auf dem Tisch wartet. 

Was denkst du, woran liegt das? 

Auch heute wird in vielen Kampagnen noch mit Stereotypen gearbeitet. Männer sind demnach „das starke Geschlecht“. Als Versorger und Karrieremensch bieten sie eine starke Schulter zum Anlehnen. Karrierefrauen werden in der Werbung zwar auch immer häufiger gezeigt, aber gleichzeitig jonglieren sie Kinder, Haushalt und sollen dabei auch noch gut aussehen und nicht zu verbissen wirken. 

Spiegelt Werbung denn die Gesellschaft wieder? Demnach wäre es ja nicht verwunderlich, dass die Frau in den 60er-Jahren als „perfekte Hausfrau“ gezeichnet wurde?  

Um Produkte gut zu verkaufen, sollten sich potenzielle Kundinnen und Kunden immer mit den Produkten identifizieren können. Je mehr ich mich selbst in der Werbekampagne wiederfinde, umso mehr wende ich mich auch dem Produkt oder dem Unternehmen zu. 

Frauen haben in den 60er-Jahren von den verdienenden Männern das Haushaltsgeld bekommen. Sie waren die Zielgruppe, z. B. für Tchibo Kaffee. Ein Großteil der Frauen hat sich damals in den Werbespots wiedergefunden. So zum Beispiel auch, wenn Mr. Pithey den Kaffee aus Übersee zu den deutschen Hausfrauen gebracht hat. Denn sie kochen bekanntlich den besten Kaffee.

Wenn du Kaffeewerbung früher und heute vergleichst, was kannst du feststellen?  

Vor ca. 30 Jahren hat es noch funktioniert, Kundinnen und Kunden in eine „heile Welt“ in der Werbung zu entführen. Heutzutage werden Kampagnen von Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr hinterfragt. Wofür steht das Unternehmen? Wie ist die Haltung des Unternehmens? Ist das Unternehmen glaubwürdig? Für Unternehmen selbst bedeutet das viel mehr Arbeit hinter den Kulissen, um das Kundenbedürfnis nach Informationen zu befriedigen.

Also hat sich das Bild der braven Hausfrau in der Werbung geändert?

Ja und nein. Aktuell ist das Zubereiten von Kaffee in der Werbung sehr männlich besetzt. In den 80er-Jahren ist der „Melitta-Mann“ bekannt geworden, heute kennen wir alle George Clooney als Werbefigur für Nespresso oder Roger Federer, der für Jura an der Maschine steht.  

Gleichzeitig ist es so, dass die meisten Kaufentscheidungen von Frauen getroffen werden. Häufig sind Frauen diejenigen, die entscheiden, ob es ein neues Sofa braucht oder welche Milchmarke gekauft wird. In der Werbung für einen Schokoriegel sehen wir eine sportliche, dynamische junge Mutter, die ihren Kindern den Riegel als Nachmittagssnack einpackt. Insofern glaube ich, wir haben nun neue Stereotypen in der Werbung, aber es sind eben immer noch Stereotypen.   

Wie kann man der stereotypischen Darstellung entgegenwirken? 

Es ein langer, harter und steiniger Weg, der sehr viel gesellschaftliches Engagement und Aufmerksamkeit braucht. Aber es gibt eine neue junge Frauengeneration, die sich mit Stolz Feministin auf die Brust schreibt und selbst junge Männer sich als Feministen bezeichnen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.  

Was wünscht du dir für die Zukunft der Werbung? 

Ich wünsche mir, dass Marken und Unternehmen das Thema Authentizität ernster nehmen. Sie alle sollten sich auf die Fahne schreiben, den gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben und zu unterstützen und da auch mal das Risiko eines Shitstorms in Kauf nehmen, um ihrer Haltung treu zu bleiben.