Unser Ziel: 100 % verantwortungsvoll eingekaufter Kaffee
Ab 2027 plant Tchibo nur noch verantwortungsvoll eingekaufte Kaffees anzubieten! Wie geht das? Was heißt das?
Challenge accepted: Egal ob Feine Milde, Eduscho, Qbo, Cafissimo, Barista oder Raritäten - alle Tchibo Kaffees sollen ab 2027 aus verantwortungsvollem Einkauf stammen. Das erfordert Haltung und schnelles Handeln, da die Kaffeefarmerinnen und -farmer weltweit sowohl an den Folgen des Klimawandels als auch an niedrigem Einkommen leiden. Augenblicklich sind 20 % unserer Kaffees zertifiziert, 80 % nicht. Wie bekommen wir diese große Menge so schnell nachhaltig eingekauft?
10 Fragen dazu an den Programmverantwortlichen Pablo von Waldenfels, Direktor Unternehmensverantwortung bei Tchibo.
Pablo, plant ihr eine Art Kaffeerevolution?
PvW: Nicht ganz, aber klar ist doch, dass Nachhaltigkeit im Kaffee kein fester Zustand, sondern ein Weg ist. Die drängendsten Fragen sind: Wie können Kaffeefarmerinnen und -farmer wirtschaftlich vorankommen und sich gleichzeitig besser gegen den Klimawandel und andere Krisen aufstellen? Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Kaffeeanbau sind besorgniserregend. Bis 2050 könnten sich die Anbauflächen für Kaffee halbieren, da Trockenheit und Dürre zu erheblichen Ernteausfällen führen. Zudem bewirtschaften 70 Prozent der weltweit 12,5 Millionen Kaffeebauern Farmen von unter einem Hektar. Sie leiden unter niedrigem Einkommen, was zu Problemen wie Kinderarbeit und illegaler Abholzung führen kann. Aus unserer Sicht muss sich die Kaffeebranche stark verändern, damit unser aller Lieblingsgetränk eine Zukunft hat.
20 Prozent der Tchibo Kaffees sind zertifiziert, warum nicht mehr?
PvW: Stimmt, aktuell sind 20 Prozent aller Tchibo Kaffees durch Fairtrade, Rainforest Alliance und das Bio-Siegel zertifiziert oder kommen aus Tchibo Joint Forces!(R) Projekten. Diese Projekte unterstützen Kaffeefarmerinnen und -farmer seit über 20 Jahren dabei, nachhaltigere Anbaumethoden zu entwickeln und somit qualitativ höherwertigen Kaffee zu produzieren. Damit haben wir als Tchibo einiges erreicht. Zertifizierungen alleine sind allerdings nicht die Lösung. Die Farmer brauchen mehr Unterstützung auf ihrem Weg zum nachhaltigeren Anbau. Oft decken die höheren Preise, die sie für zertifizierte Produkte erzielen können, nämlich nicht die Erzeugerkosten. Zudem gibt es am Markt selten Abnahmegarantien für zertifizierte Kaffees.
Was soll also mit den verbleibenden 80 Prozent passieren?
PvW: Für die haben wir unser neues Kaffee-Nachhaltigkeitsprogramm gestartet, denn wir müssen als Unternehmen selbst die Verantwortung konsequenter übernehmen. Wir wollen für alle Farmerinnen und Farmer die Situation deutlich verbessern. Es ist doch so: Rund 75.000 Kleinfarmer (u.a. aus Guatemala, Honduras, Vietnam und Brasilien) produzieren den gesamten Tchibo Kaffee. 80 Prozent der erzeugten Kaffees sind nicht zertifiziert. Doch gerade diese Kaffees sollten so umweltfreundlich und sozialverträglich wie möglich angebaut werden, damit die Existenzgrundlage der Farmer deutlich verbessert wird.
Wie und wo setzt das Kaffeeprogramm an?
PvW: Wir intensivieren unsere Zusammenarbeit mit allen Kaffeefarmerinnen und -farmern. 2022 starteten wir die Länderprogramme in den wichtigsten Beschaffungsländern, beginnend mit Brasilien, Vietnam und Honduras. Bis 2027 sollen alle Länder, aus denen wir regelmäßig Kaffee beziehen, mit dem Kaffeeprogramm abgedeckt sein. Dazu gehören dann auch Äthiopien, El Salvador, Guatemala, Kenia, Kolumbien, Indien, Peru und Tansania.
Wie sieht das Kaffeeprogramm konkret aus?
PvW: Das Wichtigste: wir müssen mit den Farmerinnen und Farmer sprechen! Es gilt herauszufinden, was die Farmer benötigen und sie bei ihren Bedürfnissen zu unterstützen. Wir werden ihnen zur Hand gehen, ein wirtschaftlich stabiles Fundament aufzubauen, um sie widerstandsfähiger gegen Preisschwankungen zu machen. Das beinhaltet Maßnahmen wie Agroforstwirtschaft, Aufforstung, Anbau von Obstbäumen und anderen Feldfrüchten sowie die Aussaat neuer Kaffeesorten, die besser gegen extreme Wetterlagen geschützt sind. Die Umsetzung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Trainern und Agronomen der Exporteure.
Die konkreten Maßnahmen stimmen wir regional ab, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. In Brasilien zum Beispiel liegt der Fokus auf dem Schutz von Biodiversität, Klima und Wasser, während in Honduras die Armutsbekämpfung im Vordergrund steht. So bekommt jedes Land sein maßgeschneidertes Programm.
Was ist mit dem Preis?
PvW: Wir möchten alle Lieferketten nachhaltig gestalten, unabhängig davon, wie teuer unser jeweiliger Kaffee im Regal ist. Allerdings ist es nicht möglich, in einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld vollständig aus den etablierten Preisen auszubrechen. Deshalb setzen wir hier auf einen intelligenten Mix: Das Kaffeeprogramm, den Einkauf möglichst hoher Qualitäten (mit denen die Farmer auch höhere Preise erzielen) und den sukzessiven Ausbau des Anteils an Kaffees aus den Programmregionen. Das bringt mehr Umsatz und Stabilität für die Farmerinnen und Farmer.
Wann wird es Kaffee aus dem neuen Programm geben?
PvW: Wir bekommen aus den ersten Projektregionen in Honduras, Tansania und Guatemala bereits Kaffee, den wir aber noch nicht gesondert ausweisen. In Zukunft werden wir das tun, dafür muss aber das Projekt mit Enveritas erst einmal in der Breite gut laufen.
Und wie bei Truemorrow für BLACK & WHITE arbeitet Tchibo wieder mit Enveritas zusammen?
PvW: Genau, um die größtmögliche Transparenz über unsere Handlungsfelder zu erlangen, arbeiten wir mit der unabhängigen gemeinnützigen Organisation Enveritas zusammen. Bis Anfang 2024 wird Enveritas Länderberichte und Analysen für alle Kaffeeländer (u.a. Brasilien und Vietnam) vorlegen, in denen Tchibo regelmäßig einkauft. Basierend auf diesen Daten entwickeln wir gemeinsam mit den Menschen in den Regionen maßgeschneiderte Lösungen, ohne ihnen ein Programm überzustülpen. Enveritas überprüft ebenfalls, ob die Programme durchgeführt werden und ihre Wirkung entfalten.
Gibt es noch mehr Partner?
PvW: Klar, je nach Land und Lieferkette arbeiten wir im Zusammenschluss mit lokalen Partnern und NGOs, darüber hinaus mit weiteren Unternehmen und Organisationen wie dem World Coffee Research und dem deutschen Kaffeeverband. Es gilt gemeinsam Lösungen zu finden, um die Stärkung des Kaffeesektors voranzutreiben. Und gemeinsam einen Wandel Richtung mehr Nachhaltigkeit zu schaffen.
Zu guter Letzt: Was heißt eigentlich „verantwortungsvoller Einkauf“
PvW: Es braucht drei Schritte für Kaffeeunternehmen wie Tchibo, um einen Nachweis von Enveritas für verantwortungsvollen Einkauf zu erhalten: Erstens die jährliche Durchführung einer unabhängigen Bewertung ihrer Lieferkette hinsichtlich Nachhaltigkeitsproblemen; zweitens an diesen Problemen proportional zu den eigenen Kaffeeeinkäufen zu arbeiten. Und schließlich müssen die Kaffeeunternehmen ihre Bemühungen zur Erreichung von positiven Veränderungen unabhängig bewerten lassen.
Danke für das Gespräch!