Kaffee & Leidenschaft
Kaffeewissen

Dr. Bytof erklärt: Säure im Kaffee

Hallo,

mein Name ist Gerhard Bytof. Da ich studierter Kaffeeologe bin (nein, im Ernst: ich habe eigentlich Bio studiert, Thema meiner Doktorarbeit war aber in der Tat Kaffee), fällt mir hier immer wieder einmal die Aufgabe zu, etwas über Kaffee-Inhaltsstoffe zu schreiben. Ich habe mich dieses Mal für ein Thema entschieden, bei dem ich gerne selbst etwas sauer werden kann, einfach weil beim Kaffee hierzu viel gefährliches Halbwissen kursiert: Es geht um Säuren im Kaffee.

Tatsächlich gibt es eine Säure, die nach Kaffee benannt wurde, obwohl sie nicht nur in Kaffee, sondern praktisch in allen anderen höheren Pflanzen ebenfalls zu finden ist: die Kaffeesäure. In ihrer Wirkung (antioxidativ) zwar interessant, soll sie hier jedoch nicht im Vordergrund stehen, weil ich mehr auf den sauren Geschmack des Kaffees eingehen möchte – und da gibt es auch noch andere Säuren, die wichtiger wären.

Dass Kaffee eindeutig sauer sein muss, damit er schmeckt, wurde einst von Braunschweiger Forschern unzweifelhaft demonstriert, indem sie ihr Kaffeegetränk sofort nach dem Brühen auf neutralen pH-Wert (pH 7,0) brachten, und danach feststellten, dass es nur noch „wie nasse Asche“ schmeckte. Ohne Säure geht es offensichtlich nicht - dabei ist der Säuregrad im Kaffee mit einer Bandbreite von etwa pH 4, 5 bis 5,0 noch nicht einmal sehr extrem, etwa ähnlich sauer wie Bier und nur leicht saurer als Tee (pH 5,5). Weitaus niedrigere pH-Werte, also mehr Säure, haben hingegen Wein (pH 4,0), Orangen- oder Apfelsaft (pH 3,5) und Cola (pH 2,0-3,0) [Quelle: Wikipedia, pH-Wert].

Wie sauer ich meinen Kaffee genießen möchte, das ist zunächst einmal eines: Geschmacksache – vorausgesetzt die Säure harmoniert im Gesamteindruck. Eine angenehme Säure mit fruchtigen Noten nach Johannisbeere kann sehr wunderbar sein. Ein Kaffee hingegen, der nicht nur sauer ist, sondern dessen Bohnen eindeutig überfermentiert wurden, schmeckt einfach nur grausam, weil dann zur Säure nämlich unangenehme Gärungs-Fehlaromen hinzukommen (stellen Sie sich vor, jemand hätte Ihnen heimlich 2 Esslöffel billigen Apfelessig in die Tasse geschüttet).

Nicht jeder liebt Säure im Kaffee oder zumindest nicht in jeder Zubereitung und hat dann zahlreiche Möglichkeiten gegenzusteuern: Arabica bringt generell mehr Säure mit als Robusta, Hochlandkaffee mehr als Tieflandkaffee, Ostafrika mehr als Brasil, helle, skandinavische Röstung mehr als eine Espresso-Röstung. Bei der Zubereitung spielt dann auch noch die Wasserhärte eine wichtige Rolle und hält man das Kaffeegetränk zu lange warm, verliert es nicht nur an Aroma, sondern es entstehen auch noch zusätzlich Säuren, was so weit gehen kann, dass hinzugefügte Milch (welche eigentlich Säure wegnimmt) ausflockt: gesundheitlich unbedenklich aber überaus unappetitlich.

Woher kommt die Säure im Kaffee?

Einen Teil der Säuren, vor allem die kaffeetypischen Chlorogensäuren, aber auch Citronen- und Äpfelsäure, findet man schon in den ungerösteten Bohnen, was sich jedoch geschmacklich noch nicht wirklich bemerkbar macht. Noch dominieren hier eher das bittere Coffein und eine starke Heu-artige bis erbsige Note (wenn man die Gelegenheit bekommt, unbedingt einmal Rohkaffeebohnen kauen - ein interessanter Vergleich zur Röstkaffeebohne!). In Summe geht durch das Rösten etwa die Hälfte der Säuren des Rohkaffees verloren, vor allem die Chlorogensäuren werden abgebaut. Durch den Abbau von Kohlenhydraten kommen im Verlauf der Röstung jedoch einige geschmacksintensive Säuren hinzu, vor allem Essigsäure, aber auch zusätzliche Citronensäure und Äpfelsäure.

In einer Röstreihe von heller über mittlerer bis hin zu dunkler Röstung würde man typischerweise einen frühen Anstieg im Säureprofil verzeichnen, mit einem Gipfel im Bereich hell bis mittel und mit einem anschließenden stetigen Rückgang in Richtung dunkel.

Übrigens, was immer man von den Säuren im Kaffee halten mag: Obwohl es immer wieder behauptet wird, es sind nicht die Säuren, die bei empfindlichen Kaffeetrinkern Magenprobleme verursachen!

Die meisten Kaffeetrinker vertragen Kaffee ohne Probleme, bei einigen kommt es häufiger oder seltener zu einer unangenehmen Reaktion des Magens, verbunden mit einer Überschussproduktion von Magensäure. Selbst der sauerste Kaffee jedoch könnte mit der Magensäure nicht mithalten, die mit einem pH-Wert von 1,0-1,5 mehr als drei pH-Stufen von solchem Kaffee abweicht und damit über tausendmal (!) stärker konzentriert ist als dieser (klingt komisch, ist aber so: Jede pH-Stufe steht für den Faktor 10 x; drei pH-Stufen stehen für 10 x 10 x 10 = 1000; vergleiche die pH-Werte oben). Wie sollten also die schwach konzentrierten Säuren des Kaffees die stark konzentrierte Magensäure (= v.a. Salzsäure) noch saurer machen?

Forschungsarbeiten der TU München und der DFA München* haben entsprechend gezeigt, dass nicht etwa die Säuren - und auch das Coffein nur sehr wenig - sondern vielmehr Bestandteile des Kaffeeöls, so genannte C5HT’s, die Magensäurezellen stimulieren. Das kann leider mitunter zu einem Überschuss und als Folge davon zum Sodbrennen führen; ansonsten sind C5HT’s gesundheitlich unbedenklich. Weil eine Entcoffeinierung stets auch die C5HT-haltige Wachsschicht der Rohbohnen mit entfernt, empfiehlt sich eventuell für empfindliche Personen, die nur ungern auf ihren Kaffee verzichten mögen, es einmal mit entcoffeiniertem Kaffee zu versuchen. Sie wollen nicht auf Coffein verzichten? Bereits ein dunkel gerösteter Kaffee (z.B. Espresso) enthält nicht nur weniger C5HT’s als hell geröstete, sondern birgt außerdem vermehrt Substanzen, welche die Magensäureproduktion bremsen. Aber bitte Vorsicht beim Ausprobieren und bei anhaltenden Magenproblemen bitte stets einen Arzt konsultieren.

 

* Lang, R., I. Bardelmeier, C. Weiss, M. Rubach, V. Somoza and T. Hofmann (2009). "Quantitation of βN-Alkanoyl-5-hydroxytryptamides in Coffee by Means of LC-MS/MS-SIDA and Assessment of Their Gastric Acid Secretion Potential Using the HGT-1 Cell Assay." Journal of Agricultural and Food Chemistry 58(3): 1593-1602.

Rubach, M. J. and V. Somoza (2012). Impact of Coffee on Gastric Acid Secretion. Coffee: Emerging Health Effects and Disease Prevention. Y.-F. Chu, Wiley-Blackwell: 275-291.

Rubach, M., R. Lang, G. Bytof, H. Stiebitz, I. Lantz, T. Hofmann and V. Somoza (2014). "A dark brown roast coffee blend is less effective at stimulating gastric acid secretion in healthy volunteers compared to a medium roast market blend." Molecular Nutrition & Food Research 58(6): 1370-1373.