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Kunst auf Kaffeesäcken

Wer hat das schönste Sackgesicht?

Was verbindet Tchibo, Udo Lindenberg, Vitali Klitschko und eine Kunstausstellung in Hamburg? Natürlich Kaffee. In diesem Fall noch genauer: Kaffeesäcke. Ich, Jan Lüdtke, Praktikant im Bereich Corporate Communications, habe die "Sackgesichter" besichtigt.

„Sackgesichter“ nennt Nicola Rübenberg nämlich ihre Werke liebevoll. Portraits – in schwarz-weiß gehalten, gezeichnet auf Kaffeesäcken. 24 Bilder sind bislang entstanden, jedes per Hand gezeichnet, jedes ein Unikat. Von einer Wand strahlt einen Otto Waalkes fröhlich an, an einer anderen rollt Lemmy Kilmister von Motörhead irre mit den Augen. Und je länger man die Bilder betrachtet, desto mehr erkennt man. Manchmal ziehen einen die Gesichter aber auch so sehr in ihren Bann, dass man das eigentlich Offensichtliche erst gar nicht sieht. Aber dazu später mehr.

Wie kommt man nun eigentlich auf die Idee Kunst mit Kaffeesäcken zu machen? Bei einem Gespräch mit der Künstlerin lässt sich schnell erahnen, was es braucht, damit eine solch faszinierende Idee entstehen kann: Leidenschaft, Talent, Durchhaltevermögen - und Zufall.

Mittendrin statt nur dabei: Unser Praktikant Jan erlebt die Ausstellung hautnah

Ende 2013 zieht Nicola Rübenberg gemeinsam mit 50 anderen Künstlern in das Atelierhaus 23, als Teil des „Verein zur Förderung von Kunst und Kultur in den Veringhöfen e.V.“. 50 Künstler in 40 Ateliers, direkt in Hamburg. Nicolas Atelier trägt den schönen Namen „Atelier kleine Feder“.

Auf einer Ausstellung sieht Nicola Rübenberg ein Portrait, auf grobem Material gehalten. Der Gedanke „sowas will ich auch machen“ entsteht zum ersten Mal. Dann – ein halbes Jahr später, zieht ein junger Künstler in das Atelier neben Nicola. Er bezieht Stühle mit Kaffeesäcken. Von ihm bekommt sie das erste Material. Sie bemalt die Kaffeesäcke und es funktioniert sofort – Talent. Der benachbarte Künstler ist begeistert und trägt das Portrait direkt ins Kaffeemuseum Burg, wo er als Kaffeeröster arbeitet - Zufall.

Die Künstlerin Nicola Rübenberg mit ihrem Material: Original Hamburger Kaffeesack

Neben der Begeisterung für das Material ist Nicola auch von der Geschichte jedes einzelnen Kaffeesacks fasziniert. „Die Kaffeesäcke sind weit gereist, werden aus ihrer Produktionsstätte zum Beispiel in Indien, in das Kaffeeland verschickt und von da aus landen sie schließlich im Hamburger Hafen. Eine weitere schöne Eigenschaft: „Bevor ich anfange das Portrait zu malen, bereite ich den Kaffeesack vor, dabei wird er nass und schon duftet mein Atelier ganz wunderbar nach Rohkaffee“.

Ist es nicht unglaublich schwer auf dieser groben, rauen Struktur eines Kaffeesacks zu zeichnen? Nicht für Nicola: „Ich habe es einfach gemacht und es hat sofort funktioniert.“ Später versuchten auch Freunde von ihr auf Kaffeesack zu zeichnen – und es klappte überhaupt nicht. „Erst da ist mir bewusst geworden, wie schwierig das Material eigentlich ist.“

Bei der Auswahl der Personen, die auf Kaffeesack portraitiert werden, verlässt sich die Künstlerin ganz auf ihre Intuition „Im Grunde geht es mir immer nur um eines: Einen ganz bestimmten Gesichtsausdruck, der ein Gefühl vermittelt, nach dem ich selbst in meinen Bildern suche und das schon mein Leben lang“. Die Vorlagen können gerne eigene Fotos sein. Lemmy von Motörhead, Udo Lindenberg, Otto Waalkes, Ewa (Helena Dulic), die Sängerinnen Lissie und Maria Mena hat sie selbst fotografiert. Das ist natürlich nicht immer möglich. Marilyn Monroe, Jimmy Hendrix oder Andy Warhol beispielsweise basieren auf Archivfotos. Doch die Suche nach diesem einen speziellen Gesichtsausdruck bleibt dieselbe. Die Intuition entscheidet letztlich, welches Bild ausgewählt wird. Intuition und der besondere Blick der Künstlerin für Menschen: „Bestimmte Leute haben einen Ausdruck und vermitteln ein Gefühl, von dem ich weiß, dass ich es nie selbst vermitteln könnte. Das sind Menschen mit Charisma, ausdrucksstarke Bühnenmenschen oder Künstler, das hat mich immer sehr fasziniert- und fasziniert mich bis heute. Dabei ist es immer der gleiche Ausdruck nach dem ich suche – ganz gleich ob ich fotografiere oder male“.

Nicht selten ist die Künstlerin am Ende selbst von ihrem Kunstwerk überrascht. Beispielsweise bei dem Portrait mit Otto Waalkes, der etwa 20 Jahre jünger aussieht und dessen Lachfalten nahtlos in seine Haare überzugehen scheinen. Die Lachfalten erstrecken sich so über das gesamte Bild, ohne dass es geplant oder beabsichtigt war.

Otto Waalkes charakteristische Züge kommen auf dem Kaffeesack besonders gut zur Geltung

Die Gesichter ziehen einen eben zweifellos in ihren Bann und manchmal, ja manchmal eben so sehr, dass man das Offensichtliche erst gar nicht sieht.

Wie bei dem Portrait von Vitali Klitschko: Man betrachtet das Gesicht – ausdrucksstark, ruhig, charismatisch - und nimmt Risse oder Bedruckung des Kaffeesacks gar nicht wahr. Und auch die Künstlerin hat zunächst nicht bemerkt, was eigentlich so passend, so offensichtlich ist: Direkt durchs Gesicht zieht sich die Bedruckung des Kaffeesacks. Doch über dem Auge bleiben zwei einzelne Buchstaben frei stehen. Gut lesbar steht da: „K.O.“

Unglaublicher Zufall: Direkt über Klitschkos Auge prangen die Buchstaben
  • Wollen Sie Ihr eigenes "Sackgesicht"? Nicola Rübenberg malt Ihnen gerne Ihr Wunschmotiv auf original Hamburger Kaffeesack. Informationen dazu finden Sie hier.
  • Die Bilder können außerdem im Atelier angesehen werden. Hierzu kann einfach ein Termin mit der Künstlerin vereinbart werden (E-Mail info@sackgesichter.de).
  • Die nächste große Sackgesicher-Ausstellung findet auf Gut Basthorst im Rahmen des Musikfestivals am 07. August 2015 statt.