Mensch & Verantwortung

#68 Die Kunst der Ausrede (1/2)

Wir wollen ja alle klimabewusst leben. Weniger konsumieren, mit der Bahn reisen, wenig Fleisch essen. Aber es kommt – so ein Mist – halt oft was dazwischen. Darum sprechen wir heute über: „Die Kunst der Ausrede. Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben.“ Thomas Brudermann, promovierter Psychologe und Professor für Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Graz, hat 25 Ausreden gesammelt und analysiert. Und er hat sogar Lösungsansätze dabei. Die kennt auch Alexander Falser, Head of Consumer Insights bei Tchibo, also unser interner Marktforscher. Er kennt alle Kundenbedürfnisse und Aussagen in Bezug auf Kaffee, Genuss und Fashion Konsum. 

Thomas Brudermann und Alexander Falser

Wir alle kennen die verschiedensten Ansätze, wie wir uns nachhaltiger verhalten können und was der Umwelt guttut (und was eben nicht). Doch auch diese Denkweise kennen wohl die meisten: Jetzt bin ich das ganze Jahr über mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren, da gönne ich mir aber auch den Flieger nach Barcelona, statt mich 24 Stunden in den Zug zu setzen. Na, ertappt?

"Wir handeln umweltfreundlich in einigen Bereichen. Wir reduzieren Plastikmüll, wir schalten das Licht aus, wir sparen beim Heizen. Das gibt uns ein gutes Gefühl, das passt auch zu unseren Umwelteinstellungen. Wenn wir das jetzt machen, passiert es aber sehr oft, dass wir diese kleinen Taten, diese leichten Taten als Entschuldigung nehmen, dann eben in anderen Bereichen nicht so umwelt- und klimafreundlich zu sein. Das nennt man moralisches lizensieren. Das ist ein Aufwägen verschiedener Verhaltensweisen und das funktioniert psychologisch gut." - Thomas Brudermann 

Wir Konsumentinnen und Konsumenten können durch unsere Wahl im Supermarkt oder der Art, wie wir mobil sind, viel verändern und beeinflussen. Aber auch dort gibt es Grenzen, denn wer auf dem Land wohnt kennt es: Bus fahren ist dort eher Utopie als Realität. Daher stehen wir als Bürgerinnen und Bürger oder Konsumentinnen und Konsumenten nicht alleine in der Verantwortung.

"Es ist insgesamt problematisch die Verantwortung nur auf Konsumentinnen und Konsumenten abzuschieben. Es braucht da schon auch andere Teile: Es braucht Politik, die die Rahmenbedingungen schafft, es braucht Unternehmen, die mitziehen. Und es braucht eben auch die Konsumentinnen und Konsumenten, die Rahmenbedingungen vorfinden, innerhalb derer es leicht ist die klimafreundliche Entscheidung zu treffen. Momentan ist es relativ schwierig, wenn ich in den Supermarkt gehe, da sind die meisten Produkte ja nicht fair produziert. Wir haben es da oft wirklich schwer unseren Fußabdruck, wenn man so will, beim Einkaufen zu reduzieren." Thomas Brudermann

Die Frage aller Fragen ist jetzt: Wie schaffen wir es, dass wir Menschen uns nachhaltiger verhalten? Muss es immer Verzicht sein? Nein. Aber wie können wir verstehen, dass es richtig ist, weniger zu Produkten zu greifen, die um die halbe Welt gereist sind oder auf Massentierhaltung basieren? Geht das überhaupt, wenn nachhaltigere Produkte schlichtweg teurer sind?

"Die Geschichte des Verzichtes ist eine mögliche Geschichte, die man erzählen kann. Es gibt aber noch andere Geschichten. Es gibt die Geschichte der Utopie einer schöneren Welt, wo alle vertical gardening machen, die Luft sauber ist und die Kinder fröhlich draußen herumlaufen und spielen können. Es gibt ganz unterschiedliche Geschichten, die man erzählen kann. Man muss sich halt für eine Geschichte entscheiden. Am Ende ist gar nicht die Frage wie ich dahin komme, über Narrative, über Nudging, priming oder whatever. Wir wollen, dass Menschen ihr Verhalten ändern." – Alexander Falser

"Menschen, Verbraucher, Konsumenten suchen immer eine Belohnung für ein bestimmtes Verhalten. Und diese Belohnungen die Menschen suchen können vielfältig sein. Das kann Status sein, das kann Macht sein, das kann aber auch Freundschaft sein, das kann Genuss sein, das kann alles Mögliche sein. Und wir müssen versuchen Menschen Belohnungen anzubieten. Das Verzicht-Narrativ ist ein ganz schwieriges. Wieso sollte man das tun am Ende des Tages?" -  Alexander Falser   

"Unter „Nudging“ versteht man in der Verhaltensökonomie das Bereitstellen einer Entscheidungsarchitektur, die den Konsumentinnen und Konsumenten oder den Bürgern gewisse Entscheidungen erleichtern. Man schubst quasi die Leute in eine Richtung, die erwünscht ist. Das funktioniert teilweise gut, teilweise nicht so gut. Ist aber auch durchaus kontrovers zu sehen."– Thomas Brudermann

Mehr Ausreden, sowie Exkurse in die Psychologie und Marktforschung gibts in der neuen Folge 5 Tassen täglich. Hört rein!