Kaffee & Leidenschaft
Gehören Kaffeereste in den Kompost oder sollte mich Kaffeesatz im Kompost wurmen?

Kaffeesatz im Kompost: Ist da der Wurm drin? (Teil 2)

Mit einem Cliffhanger haben wir den ersten Teil über das Drama um Kompostwürmer und Kaffeesatz beendet. Es geht um die Frage, ob Kaffeesatz vielleicht doch nicht auf den Kompost gehört, weil laut einer Studie Kompostwürmer davon eingingen. Die Originalstudie liegt mir vor – und darin geht es tatsächlich nicht gut für die Würmer aus. Aber eine wissenschaftliche Herangehensweise sollte stets alle verfügbaren Studienergebnisse gegeneinander abwägen. Und so haben wir uns gefragt, ob es nicht insgesamt doch für die Ringelwürmer im Kaffeesatzkompost gut aussehen mag. Hier geht es weiter:

Aus meiner Sicht hat die genannte wurmskeptische Studie leider einen Schwachpunkt: sie verzichtet in ihrem Versuchsaufbau auf eine Kontrollgruppe. Die hätte komplett ohne Kaffeesatz angesetzt sein müssen, um auszuschließen, dass womöglich andere Begleitbedingungen (zu wenig Luft, zu trocken? etc.) das Ergebnis mit beeinflussen. Denn dass die Wurmzahl in so einem Versuch auch ganz ohne Kaffeesatz (und ohne Coffein) zurückgehen kann, zeigen Ergebnisse in den Kontrollgruppen anderer Forscherteams: Mit Gemischen aus Kaffeesatz mit Kuh- oder Pferdemist, mit Küchenabfällen oder mit Pflanzenschnetzeln etc. haben sich die Würmer stets relativ zur Kontrollgruppe genauso wohl oder deutlich wohler gefühlt[1],[2],[3]. Ein spanisches Team, das zusätzlich zum Kaffeesatz auch noch die Silberhautreste der Kaffeebohnen mit testete (die fallen vor allem beim Rösten an), bescheinigte den Mixturen die Abwesenheit jeglicher toxischer Effekte[4]. Und erst kürzlich kam ein tschechisches Forscherteam zu einem ähnlichen Ergebnis[5] und stellte außerdem dabei fest, dass der Kompostwurm das bisschen Coffein im Kaffeesatz nicht nur locker verträgt, sondern (offenbar in Kooperation mit Mikroorganismen) sogar selbst abbauen kann! Ziemlich klar dürfte außerdem sein, dass abwechslungsreiche und gemischte Kost auch für Würmer vorteilhafter ist als womöglich reiner Kaffeesatz, wie im Extrembeispiel der Kanadierinnen und Kanadier.

Die für ein wissenschaftliches Randthema beeindruckende Gesamtschau spricht also eindeutig für Kaffeesatz im Kompost – auch Ringelwürmer und Gärtnerinnen und Gärtner schwören drauf!

Was soll ich sagen? Ob aus dem Filterkaffee oder aus dem Vollautomaten: bei uns landet Kaffeesatz eigentlich immer im Garten. Im Homeoffice bei bis zu vier kaffeetrinkenden Familienmitgliedern kommen am Tag locker 15 Tassen zusammen, also roundabout 7- 8 Pfund Kaffeesatz im Monat! So steuert unser Haushalt seinen Anteil an allein in Deutschland anfallenden 1 Million Tonnen Kaffeesatz pro Jahr bei.

Alternativen zum Wurmkompost: Bioabfallnutzung 2.0

Nun hat ja nicht jede(r) eine Wurmkiste oder einen Garten mit Komposthaufen, aber dann doch wenigstens die grüne Tonne! Ausnahme sind Kapseln: die gehören in die gelbe Wertstofftonne oder den Gelben Sack. Was in der grünen Tonne landet, wird von Entsorgungsunternehmen zur industriellen Herstellung von Kompost genutzt. Weil wir ja in Zeiten der viel beschworenen Energiewende leben, sollte auch die Frage gestellt werden, wie weit eine energetische Nutzung des Wertstoffes Kaffeesatz als Bioabfall Sinn macht. Beim Kompostieren wird viel Wärme gebildet, in der Kompostierungsanlage viel mehr noch als im klassischen Gartenkomposthaufen. Es wäre theoretisch auch eine Nutzung dieser Wärme in Form von Biomeilern und „Humusheizung“ möglich. Das wird leider noch zu selten auch praktisch umgesetzt.

Anders als Kompostierungsanlagen werden Biomassekraftwerke eher mit Holzhackschnitzel, Getreide und Klärschlämmen betrieben als mit Biotonnenabfall; allerdings hätte Kaffeesatz allein schon wegen seines Kaffeeölgehalts einen hohen Brennwert, und die Asche wäre immer noch mineralhaltig, also gut als Dünger geeignet. Energetisch betrachtet weitaus effektiver als die eben genannten, wäre eine weitere Lösung: eine moderne Biogasanlage. Mein lieber Kollege Sebastian Thieme hat einmal das Potential von Kaffeesatz zur Verarbeitung in einer solchen Biogasanlage untersuchen lassen: Im Vergleich zu gewöhnlichem kommunalen Bioabfall (grüne Tonne und Co.) hat Kaffeesatz einen 5mal höheren Gasertrag: 500 Normalliter Biogas je Liter Frischmasse! Laut Schätzungen der FNR e.V.[6] (untersteht dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) würden somit 2 Liter Kaffeesatz-Frischmasse allein einen Biogas-Brennwert von 5,0-7,5 kW/h erzeugen, was ungefähr 0,6 Liter Heizöl entspräche. Da ist die Nutzung der Abwärme noch nicht einmal mit eingerechnet. Bereits Beimischen von Kaffeesatz in den Bioabfall wirkt sich übrigens positiv auf den Gasertrag des Gemisches aus und erhöht folglich die Energiegewinnung. Grund hierfür ist der hohe organische Anteil und die Körnung, die Mikroorganismen in der Biogasanlage eine hohe Angreifoberfläche bietet. Kaffeesatz ist also viel zu wertvoll für den Restmüll und daher gehört er entweder in den heimischen Garten oder in die Biotonne!

Dem Thema Kaffeesatz-Recycling und auch der besonderen Thematik der Kaffeekapseln widmen sich übrigens meine liebe Kollegin Helena von Staden und mein lieber Kollege Alexander Braun zusammen mit Moderator Ralf Podzsus im Tchibo Podcast „5 Tassen täglich“ in der Folge „Kaffee, Kapseln, Kompost – wie böse sind Kapseln wirklich?“


[1] Adi, A. J., & Noor, Z. M. (2009). Waste recycling: Utilization of coffee grounds and kitchen waste in vermicomposting. Bioresource Technology, 100(2), 1027-1030.

[2] Fink, S. et al.(2012). The effects of varying coffee ground amendments on earthworm Eisenia fetida biomass in vermicomposting. University of Michigan

[3] Sanchez-Hernandez, J. C., & Domínguez, J. (2017). Vermicompost derived from spent coffee grounds: assessing the potential for enzymatic bioremediation. In C. M. Galanakis (Ed.), Handbook of Coffee Processing By-Products (pp. 369-398): Academic Press.

[4] González-Moreno, M. A. et al. (2020). Feasibility of Vermicomposting of Spent Coffee Grounds and Silverskin from Coffee Industries: A Laboratory Study. Agronomy, 10, 1125.

[5] Hanc, A. et al.(2021). Conversion of spent coffee grounds into vermicompost. Bioresource Technology, 341, 125925.

[6] (Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe; https://biogas.fnr.de/daten-und-fakten/faustzahlen)